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Wie Frauen zu lebenslangen Läuferinnen werden

 

Bibliografische Angaben

  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Herausgeber/innen: Beate Kommritz-Schüler, Bettina Richter, Raphael Richter & Wolfgang W. Schüler
  • Verlag: Arete, Hildesheim
  • Taschenbuch: 190 Seiten
  • ISBN: 978-3-96423-051-5

Inhalt

Ein Laufbuch mit demselben Haupttitel (Running forever), jedoch mit dem Untertitel „Das Geheimnis lebenslangen Laufens“, war 2017 erschienen. Die hier vorliegende aktuelle Anthologie ist jedoch keine bloße Fortsetzung oder Ergänzung zum damaligen Konzept, es ist vielmehr eine Präzisierung und Konzentration auf ein Defizit in der Laufliteratur. Im und für den Laufsport engagierte Frauen sprechen von ihren langjährigen Lauferfahrungen. Das zugrunde liegende Konzept der Herausgeber aus dem vorangegangenen Buch in Form einer Art Gliederungsvorgabe der Beiträge ähnelt allerdings, es hatte sich bewährt. Dazu gehörte auch, dass die einzelnen Beiträge vier bis sechs Seiten möglichst nicht überschreiten sollten.

Ich öffne das Buch. Es ist in Aufmachung, Gestaltung und Qualität hoch professionell hergestellt, übersichtlich entworfen und gut zu lesen. Ich werde gleich zu Beginn von einem sehr persönlich gehaltenen engagierten Geleitwort der für den Frauenlaufsport zu einer Ikone gewordenen US-Amerikanerin Kathrine Switzer überrascht (die erste Frau, die offiziell den Boston-Marathon gelaufen ist, 1967). Es ist in aller Kürze ein mitreißendes Resümee ihres inzwischen 60jährigen Lauflebens. “(Laufen) hat mir alles gegeben, meine Gesundheit, Karriere, Selbstvertrauen, Kreativität, Religion, Liebe, Freiheit und Furchtlosigkeit“. Welche Frau kann in dieser Deutlichkeit Derartiges bekennen und eine so wunderbare Persönlichkeitsbeschreibung unmittelbar dem Laufsport zuschreiben? Es macht neugierig auf die folgenden Erfahrungsberichte der insgesamt 23 Autorinnen des Buches.

Im Inhaltsverzeichnis entdecke ich Namen prominenter Frauen aus Laufsport, Politik und Kultur, unter ihnen die >Grandes Dames< des Marathonlaufs Christa Vahlensieck und Katrin Dörre-Heinig, die geburtsblinde Spitzenläuferin Regina Vollbrecht, Ministerin a. D. Martina Münch und Bestsellerautorin Hera Lind. Zur schnellen Information finden sich zu allen Autorinnen am Ende des Buches Kurzportraits. Das Angenehme für die Leserin oder den Leser besteht nun darin, dass an jeder beliebigen Stelle des Buchs begonnen werden kann. […] Er/sie hat sich jedes Mal auf eine neue und andere Frauenpersönlichkeit einzustellen, mit einem anderen Lebenskontext und anderer Art sich mitzuteilen, d. h. anderer Diktion.

Läuferinnen, so wird deutlich, entsprechen keineswegs einem bestimmten Typus; es haben die introvertierteren und extrovertierteren Frauen geschrieben, die mehr strukturell denkenden „Kopffrauen“ und die mehr auf Harmonie bedachten Frauen. Auch die über viele Jahre oder Jahrzehnte laufenden Frauen sind individuell unterschiedlich gekennzeichnet von ihrer vorgegebenen genetischen Disposition in Wechselwirkung mit ihrer Sozialisation, ihrer Erziehung und den jeweiligen Gegebenheiten. Von daher kann und darf man die einzelnen Beiträge nicht werten, nicht nach eigenen (subjektiven) Kriterien zu messen versuchen, sondern man sollte sich jeweils auf das Verfasste mit Verstehen und Empathie einlassen, es nachvollziehen, um die immer wieder faszinierenden Lebens- und damit auch Laufbiographien der Autorinnen zu genießen und zu bestaunen. In dieser gedrängten Form ist die vorliegende Sammlung eine einmalige und aufregende Zusammenstellung.

Die Rolle der Lebenspartner, Ehemänner und Familienväter ist im Buch mehrmals die des Förderers, des Unterstützers ihrer Frauen, aber auch des Laufbegleiters, sogar des Trainers. Damit nicht genug – bei häufigerer beruflicher Abwesenheit oder bei Reisen zu Laufveranstaltungen, die Zeiten der Trennung bedeuten, übernimmt der Partner sozusagen die „Mutterrolle“. Familiengründung wird in einigen Beiträgen aber auch thematisiert als ein konkurrierendes Problem zu Training und Laufkarriere. Die Lebenszeit von Frauen zwischen ca. 20 und 30 Jahren ist auch die Zeit für beste Laufleistungen. Starke Frauen lösen diesen (vermeintlichen) Konflikt offensichtlich öfter mühelos, die Zahl der Kinder ist zum Teil hoch und die Zahl der Lauferfolge der Mütter ebenso.

Ein weiteres Kriterium wird in einigen Beiträgen öfter angesprochen, das erwartbar ebenso eine Rolle spielt, allerdings nachrangig: Fragen der Ästhetik, z. B. das richtige Outfit, die modischen Laufschuhe, die Insidermütze, die Sportsonnenbrille usw., dazu gehörig auch feminin-körperliche Attraktivität, das Achten auf Gewicht u. ä.: wie sehe ich aus, wie wirke ich? Auch das gehört zum Laufen von Frauen. Im Vordergrund stehen jedoch die weitgehend bekannten Bereiche des Wohlfühlerlebens, des Stressabbaus und der Gesundheit (z. B. bei Ellen Wilde, Daniela Schädler, Hera Lind), dann der therapeutische Aspekt bei sich selbst (z. B. Dr. Erdmute Nieke) und das Erforschen seiner Effekte (Prof. Dr. Sabine Mertel), und nicht zuletzt Training und Steigerung der Laufkompetenz und -leistung für Wettkämpfe im Mittel-, vorrangig aber im Langstreckenbereich (z. B. Sylvia Schenk, Christa Vahlensieck, Katrin Dörre-Heinig). Dies schließt Ultraläufe über die klassischen 100 km (z. B. Birgit Schönherr-Hölscher, Jutta Philippin), mehrtägige Etappenrennen (Dr. Andrea Löw) sowie Trail- bzw. Bergläufe (Silke Pfenningschmidt-Gläsker) mit ein. […]

Laufen, so möchte ich schließen, ist – bei Frauen gleichermaßen wie bei Männern – das, was man daraus macht. Dieser Satz eint. Die diversen Möglichkeiten, Ziele, Chancen, Anwendungen usw. des Mediums Laufen sind zwischen den Geschlechtern ähnlich, der Umgang mit ihnen differiert nicht prinzipiell, eher graduell, hauptsächlich in seiner Ausprägung. Frauenlaufen, so scheint es mir, ist – in vorsichtiger Beschreibung – sanfter, unter- und miteinander freundlicher, sensibler, pragmatischer, spiritueller, zielgerichteter, realistischer, achtsamer, kommunikativer, neugieriger und eitler als bei Männern. Beschreibungen jedoch haben keinen gutachterlichen Charakter. Eine Häufung derartiger Adjektive weist dennoch in eine gemeinsam kennzeichnende Richtung, in der Frauen sich über die Jahrzehnte zunehmend emanzipiert haben, orientieren und wiederfinden können. Auf dieser Ebene ist der Anspruch und das Anliegen dieses äußerst interessanten, lehrreichen, vielfältigen und einmaligen Buchs konzipiert.

Die wunderbare und lebendige Welt des Laufens von Frauen ist einerseits ein Abbild des Lebens von Frauen in unserer Gesellschaft generell, aber auch ein immer wieder wirksames Medium gegen dessen inhumane und negative Schattenseiten in Form von Kompensation, Heilung und ständiger Veränderung zum Besseren – Schritt für Schritt.

(Besprochen von Dr. Arwed Bonnemann)

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